Freitag, 29. Dezember 2017

Böller für Brot

Die "Girandola"von 1775 gemalt von Jakob Philipp Hackert
Die protestantische, oder besser gesagt, puritanische Kampagne, wonach man bitte sehr für "Brot statt Böller" spenden solle, verleitet mich jedes Jahr dazu, nun erst recht Böller zu kaufen.

Ich halte es lieber mit dem mythischen Erfinder des Neujahrsböllers, dem chinesischen Mönch Li Tan. Li Tan wirkte in der östlichen Provinz Hunan zur Zeit der Tang-Dynastie (618-907 A.D.). Die Provinz plagten regelmäßig Überschwemmungen und nachfolgende Dürren, Mißernten führten zu Hungersnöten. Den Chinesen war, wie jedem vernünftigen Menschen, klar, daß dahinter nur ein böser Geist stecken konnte.

Li Tan, der sich mit der modernen Technik des Feuerwerks auskannte, machte sich daran, diesen Geist mit ohrenbetäubenden Chinaböllern auszutreiben.  Li Tan war sehr erfolgreich, und die Hunan-Chinesen lebten nach Li Tans Feuerwerk glücklich und zufrieden. Sie bauten Li Tan einen Tempel und ehren den pyromantischen Mönch jedes Jahr bis heute mit einem Feiertag am 18. April. Die Heimatstadt Li Tans, Liuyang, gilt heute als die Welt-Hauptstadt des Feuerwerks. Die Region um Liuyang ist die weltweit wichtigste Produktionsstätte für Feuerwerk.

Wer so einen Böller kauft und zündet, sollte sich also darüber im klaren sein, daß er eine apotropäische Handlung vollzieht. Er zündet einen Böller, der nach alter chinesischer Auffassung die Dämonen vertreibt und Glück verbreitet. Die Farbe der Böller ist übrigens immer rot, weil rot in China als Glücksfarbe gilt, es ist Sitte, die roten Papierfetzen mindestens einen Tag liegen zu lassen, denn um so gründlicher verbreitet sich der Segen.

Daß die protestantischen Dauerspielverderber irgendwann auf die Idee kommen würden, den Menschen das Feuerwerk zu vermiesen, war ja schon klar.  aber im Prinzip haben sie nicht die mindeste Chance gegen die religiöse Intuition des Mönches Li Tan, der böllerte, damit die Menschen Reis hatten.

In unserem Herzen wissen wir alle, daß die Welt von bösen und guten Geistern bevölkert ist. Es ist uns auf den Leib geschrieben.  Außerdem können wir es in der Bibel nachlesen. Das Neue Testament berichtet von 12 Dämonenaustreibungen durch Jesus Christus, und von elf Dämonenaustreibungen durch die Apostel. Die Kirche also hat nicht etwa negiert, daß sich auf dieser Erde Dämonen herumtreiben, sie hat vielmehr die Dämonenaustreibung organisiert. Der dritte Weihegrad der niederen Weihen, die bis zum 2. Vaticanum jeder Priester durchlaufen mußte, war der des Exorzisten, es gab ihn seit dem dritten Jahrhundert.

Li Tan tat nichts anderes als die Exorzisten der katholischen Kirche, er vertrieb Dämonen. Wenn wir also einen roten Böller zünden,  erkennen wir an, was die Kirche anerkennt: es gibt Dämonen, und wir müssen etwas gegen sie tun.

Die Päpste der Renaissance hatten im Gegensatz zu den protestantischen und protestantisierenden Christen der heutigen Tage eine gänzlich entspannte Haltung zur Kunst des Feuerwerks. Kein Geringerer als Michelangelo Buonarotti soll das erste Feuerwerk zu Ehren der Apostelfürsten Petrus und Paulus am 29. Juni auf der Engelsburg inszeniert haben. Auch Bernini hat sich als Feuerwerker betätigt.

Die Girandola di Castel Sant´ Angelo wird schon seit dem 15. Jahrhundert inszeniert, das "Feuerrad" (Girandola) brannte zu jedem Apostelfest, aber auch zu Papstkrönungen und zu Ostern, bis zum Jahr 1887, als der nunmehr säkulare Magistrat der Stadt Rom das Feuerwerk unmöglich machte und schließlich verbot.

Es ist nicht ganz ausgeschlossen, daß der antikatholische Furor, der nach 1870, dem Ende des Kirchenstaates, die italienische Politik und die Stadt Rom beherrschte, dazu beigetragen hat, dieses Licht auszulöschen. 1889 errichteten die Freimaurer auf dem römischen Campo die Fiori einem der vermeintlich ihren, dem Ketzer Giordano Bruno, ein Denkmal.

Ich für meinen Teil werde am 31.12. zu Ehren des chinesischen Mönchs Li Tan und in Gedenken an den katholischen Feuerwerker Michelangelo Buonarotti um Punkt 24 Uhr den dicksten roten Chinaböller anzünden, den ich habe.

Freitag, 22. Dezember 2017

Nur ein neues (altes) Wahlrecht wird Deutschland vor dem Schicksal eines "failed State" bewahren.

Broschüre der SPD von 1910
Jetzt verhandeln sie wieder. Diesmal in der Variante Schwarz-Rot. Die letzten Verhandlungen über die Gründung einer schwarz-gelb-grünen Koalition sind geplatzt. Was mich wundert, ist, daß sich jemand darüber wundert. Gerade hat sich die FDP dazu durchgerungen, aus der linksliberalen Sackgasse herauszukriechen, da mutet man ihr zu, mit einer (schwarzgrünen) Partei zu koalieren, deren fanatischer Egalitarismus den geistigen Abgrund von Multikulti und Gender-Gaga erreicht hat.

Das womöglich irrste Wahlrecht der Welt hat an einer Situation, wo es nicht gelingen will, eine vernünftige Regierungskoalition zu schmieden, einen erheblichen Anteil.

Zwei Zahlen sollten genügen, um den Wahnwitz unseres über fast 70 lange Jahre immer wieder verschlimmbesserten Wahlrechts zu illustrieren. Nach dem Bundestagswahlgesetz von 1949 sollten in 242 Wahlkreisen Direktkandidaten gewählt werden, 158 weitere Bundestagsmandate sollten nach Listen gewählt werden. Insgesamt hatte der Bundestag 400 Sitze, es wurden wegen des "personalisierten Verhältniswahlrechts", bei dem es zu Überhangmandanten kommen kann, 402 Parlamentarier. 2017 wurden in 299 Wahlkreise ebensoviele Direktkandidaten gewählt, durch den vollständigen Ausgleich der Überhangmandate blies sich das Parlament auf 709 Bundestagsmitglieder auf. Standen 1949 242 direkt gewählten Parlamentariern 160 über Landeslisten gewählte Parlamentarier gegenüber, waren es 2017 299 direkt und 410 über Parteilisten indirekt gewählte MdBs.

Der Parteienstaat triumphiert.

Wie aber ist es dazu gekommen? Das Kaiserreich ist mit einem dem romanischen Mehrheitswahlrecht ähnlichen Wahlrecht gut gefahren. Bei diesem Wahlrecht war zunächst im Ersten Wahlgang der Kandidat gewählt, der die absolute Mehrheit der Stimmen erreichte. Erreichte kein Kandidat die absolute Mehrheit, fand zwischen den beiden erfolgreichsten Kandidaten eine Stichwahl statt. Das zwang die Parteien, sich zu Wahlbündnissen zusammenzutun und führte zu einer homogeneren Zusammensetzung des Reichstags. Das Wahlrecht führte zwar zu Verzerrungen, dennoch hatten auch kleine, regional einflußreiche Parteien eine Chance. Im letzten Reichstag des Kaiserreichs waren 13 Parteien vertreten, mehr als doppelt so viele als im heutigen Bundestag. Zwar wichen Wähleranteil und Sitzanteil voneinander ab, aber weit weniger krass als mit unserer heutigen 5%-Klausel, die im schlimmsten Fall dazu führt, daß deutlich mehr als 10% der Wählerstimmen unberücksichtigt bleiben.

Die Republikaner, die die Weimarer Republik beherrschten, insbesondere Linksliberale, Christdemokraten (Zentrum) und Sozialdemokraten wollte es anders. Die Weimarer Republik führte ein radikales Verhältniswahlrecht ein. Anders als immer behauptet, führte dieses Wahlrecht nicht zu einer stärkeren Zersplitterung der Parteienlandschaft. 1930 waren 13 Parteien im Parlament vertreten, berücksichtigt man die Spaltung der Sozialdemokraten in Sozialdemokraten und Kommunisten und die Spaltung des Zentrums in Zentrum und Bayerische Volkspartei, waren es sogar weniger Parteien als im Reichstag des Kaiserreichs.

Nicht die Zersplitterung der Parteienlandschaft war die fatale Folge des neuen Wahlrechts, sondern eine radikale Änderung des Verhältnisses von Wählervolk, Parteien und Abgeordneten. Die Abgeordneten konnten sich nun nicht mehr als Vertreter des Volkes verstehen, sie waren vielmehr Mandatare ihrer Partei, die sich wiederum nicht als Partei verstand, die eine definierte Ideologie verfolgte, sondern als Interessenvertreterin einer bestimmten Bevölkerungsgruppe. Dies war nicht immer schon so. Man unterstellte zwar den klassischen Parteien der Liberalen und Konservativen, daß sie Klassenparteien waren, sie waren es nach ihrem Selbstverständnis nicht.

Anders die modernen Parteien. Das 1870 gegründete Zentrum verstand sich explizit als Interessenvertretung der im Kaiserreich benachteiligten und unterdrückten Katholiken. Die ersten beiden Programmpunkt des berühmten - und im übrigen zukunftsweisenden - Soester Programms stellen klar, daß es den organisierten Katholiken explizit um sich selbst und um den "Proporz" ging, so Punkt 2. des Programmes. Für die weitere Entwicklung siehe Max Webers "Politik als Beruf", wo er explizit das Proporzdenken des Zentrums kritisiert. Die Sozialsten sahen sich schon von Anfang an als "Klassenpartei", und steckten andere Parteien, etwa die Linksliberalen der FVP - übrigens Bündnispartner der Sozis - mit diesem Denken an.

Der politischen Lebensweg Karl Friedrich von Savignys ist für diese Entwicklung symptomatisch. Ursprünglich Teil der konservativen preußischen "Kamarilla", dann Abgeordneter der Freikonservativen Partei im Parlament des Norddeutschen Bundes trat von Savigny1871 dem Zentrum bei, und übernahm dort bis zu seinem Tod führende Positionen. Von Savigny zu Ehren sollte man aber nicht unerwähnt lassen, daß die Katholiken des Reichs nur wenig Alternativen zur Bildung eines Schutzbundes hatten.

Die Parteien sahen nun die Wähler als "ihre" Wähler, und die Mandatsträger als "ihre" Mandatsträger, die man mit Abgaben an die Partei und im schlimmsten Fall sogar mit einem "imperativen Mandat" malträtieren durfte. Das Aufkommen einer Neuen Partei führt dann konsequenterweise zu massiven Protesten der bisherigen vermeintlichen Eigentümer. Es handelt sich schließlich um "Diebe". Die Brutalität, mit der eine bei Lichte betrachtet völlig unverdächtige nationalliberale Partei wie die AfD angegangen wird, hat ihre Ursache in der weitverbreitesten Todsünde der modernen Politik, dem Neid.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war nun das radikale Verhältniswahlrecht in Verruf geraten, doch die inzwischen wieder dem Mehrheitswahlrecht zugeneigte CDU konnte sich gemeinsam mit der konservativen DP gegen den traditionellen Block aus SPD, KPD und Linksliberalen nicht durchsetzen. Zunächst wählte man 1949 einen faulen Kompromiss: die personalisierte Verhältniswahl. 60% der Abgeordneten sollten in ihren Wahlkreisen direkt gewählt werden, 40% über Listen. Da aber die direkt gewonnenen Mandate wieder von der Gesamtzahl der nach Proporz ermittelten Mandate abgezogen wurden,  wirkte sich dieses Recht im Wesentlichen als Verhältniswahlrecht aus. Die Parteien behielten die Direktmandate, zunächst ohne Ausgleich eventueller "Überhangmandate". Ganze 2 "Überhangmandate" entstanden so 1949.

Der 17. Juni 1953 ist aus zwei Gründen ein Schicksalstag der Deutschen gewesen. zunächst wegen des von der sowjetischen Besatzungsmacht niedergeschlagenen Aufstands in der SBZ, sodann aber wegen der am gleichen Tag stattfindenden Debatte über das Bundestagswahlrecht für die Wahl 1953. CDU und DP schlugen in dieser Debatte ein sogenanntes "Grabenwahlrecht" vor, wonach ein Teil der Abgeordneten nach dem Prinzip der Mehrheitswahl, ein anderer Teil nach dem Prinzip der Verhältniswahl gewählt werden sollte. Der Vorschlag, der einen sinnvollen Kompromiss zwischen den Anhänger der Mehrheit- und Verhältniswahl dargestellt hätte, scheiterte. Stattdessen blieb es bei dem geradezu betrügerischen System der "personalisierten Verhältniswahl". Was dazu zu sagen ist, hat damals der fraktionslose Abgeordnete Freudenberg - noch immer zutreffend - zusammengefasst:
Ich kann nur noch einmal sagen, daß es meines Erachtens für die Demokratie und die demokratische Auffassung unerträglich ist, wenn wir der Bevölkerung vormachen, wir wählen die Abgeordneten in Wahlkreisen, während de facto nicht in Wahlkreisen gewählt wird, sondern die in Wahlkreisen gewählten Abgeordneten einfach auf den Proporz angerechnet werden. Entweder sollten wir den Mut haben, einen klaren und sauberen Proporz zu machen. Dann weiß die Bevölkerung, woran sie ist. Oder aber wir sollten ein klares Mehrheitswahlrecht machen; dann weiß sie auch, woran sie ist. Aber diese Verpanschung der Dinge miteinander muß dazu führen, daß das Ansehen der Demokratie in der Bevölkerung zum Teufel geht. 
Was zu beweisen wahr. Das allerhöchst komplexe System wurde in der Folge so weit verschlimmbessert, daß das BVerfG gleich mehrfach eingreifen mußte.

Der erfolgreiche Unternehmer Freudenberg war übrigens ein dezidierter Anhänger des Mehrheitswahlrechts und weigerte sich deshalb entschieden, auf der Liste der freidemokratischen DVP für den Bundestag zu kandidieren, die ihm eine "Absicherung" auf Listenplatz 2 (hinter Theodor Heuss) anbot. Stattdessen kandidierte er - mit Unterstützung der FDP/DVP - als unabhängiger Kandidat und gewann als einziger parteiloser Kandidat in der Geschichte des Landes seinen Wahlkreis direkt - mit weitem Abstand vor dem Nächstplazierten, einem CDU-Mitglied. 

Eine Diskussion über das künftige Wahlrecht ist überfällig. Daß es so nicht weiter gehen kann, zeigt das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 und das elende Gewürge der Koalitionsverhandlungen, die stets davon ausgehen, daß unbedingt eine der Parteien der Linken, die mit weniger als 40% eine krachende Wahlniederlage erlitten hat, in die Regierung eingebunden werden muß. Das dumme Wahlvolk hat die Linke abgewählt. Aber unser Wahlrecht, verbunden mit der Begriffsstutzigkeit einer verkommenen Partitokratie, führt dazu, daß man sie partout wieder in die Regierung "einbinden" muß oder auf Biegen und Brechen einbinden will.

Wie wäre es denn, führten wir zunächst das romanische Mehrheitswahlrecht - nach dem Vorbild Frankreichs ein - um erst dann Neuwahlen durchzuführen? Man kann natürlich die Ergebnisse nicht voraussehen, aber doch, wenn man die Ergebnisse von Sept. 2017 zugrundelegt, vorausahnen.

Nach dem romanischen Mehrheitswahlrecht sind im ersten Wahlgang nur die Kandidaten gewählt, die die absolute Mehrheit der Stimmen erreicht haben. In der Regel werden damit die meisten Wahlsieger erst im zweiten Wahlgang ermittelt. Am zweiten Wahlgang nehmen nur die Kandidaten teil, die im ersten Wahlgang mindestens 12,5% der Stimmen erzielt haben. Im zweiten Wahlgang gewinnt der Kandidat mit den meisten Stimmen.

Im zweiten Wahlgang schließen sich daher die Parteien des rechten oder des linken Lagers zusammen, um einem gemeinsamen Kandidaten zum Sieg zu verhelfen. Koalitionen - die kein Mensch wirklich liebt - müssen sich daher dem Wähler stellen, sie werden nicht in den Hinterzimmern der Partitokraten ausgekungelt.

Die Parteien selbst müssen sich - um den Preis des Untergangs - mit dem häufig gehaßten Konkurrenten zusammentun, auch dies ein durchaus heilsamer Zwangsmechanismus des Mehrheitswahlrechts, denn der böse Feind muß dann möglichst gestern noch schnell zum honorigen Konkurrenten geadelt werden.

In Deutschland könnte sich so mancher darüber freuen, daß die böse Nazi-Partei AfD plötzlich in der Sicht derer, die ihre Unterstützung brauchen, zu honorigen nationalliberalen Bruderpartei sich wandelte, was sie, von gewissen Quertreibern abgesehen, ja auch ist.

Spekulieren wir also einmal los:

Bayern: die ach so geschmähte und totgesagte CSU gewönne von den 45 bayerischen Wahlkreisen teilweise mit der Unterstützung der FDP, der man dann sagen wir mal zwei Wahlkreise "abgeben" müßte, 42 von 45 Wahlkreise, viele davon im ersten Wahlgang. Wahlergebnis: 42 CSU, 2, FDP, 1 SPD.

Sachsen: die CDU wäre ohne die Unterstützung der AfD chancenlos gegen ein rot-rot-grünes Bündnis. Das Wahlbündnis AfD/CDU aber könnte alle Wahlkreise bis auf einen gewinnen, der an die Linke geht. Wahlergebnis: 8 CDU, 7 AfD, 1 Linke. Und die absolute Königin der sächsischen AfD wäre ausgerechnet die mit überwältigendem Ergebnis direkt gewählte Frauke Petry. Kein Gedanke an Parteiaustritt, sondern das Fanal zum innerparteilichen Gegenangriff gegen die Zwergenfraktion.

Hessen: Auch hier würde sich die bürgerliche Mehrheit nur dann in Sitze ummünzen lassen, wenn die CDU mit der FDP und der AfD ein Wahlbündnis eingehen würde. Was spräche dagegen, die gediegen konservative katholische Spitzenkandidatin der AfD in ihrem Wahlkreis zu unterstützen? Dann schrumpften SPD und Grüne in diesem Land nahezu auf Null. Ergebnis; 14 CDU, 4 FDP, 1 SPD und 3 AfD.

Grüne: Wer glaubt, die Grünen verschwänden aus den Parlamenten, führten wir das Mehrheitswahlrecht in seiner französischen Variante ein, täuscht sich. In Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und in Berlin könnten die Grünen ihre Hochburgen verteidigen und zögen gleichzeitig geschrumpft und gestärkt in den Bundestag ein. Die 4 voraussichtlich gewählten baden-württembergischen Bundestagskandidaten wären gestandene Persönlichkeiten, die in der Lage waren, zum Beispiel in Stuttgart und Freiburg gegen die politische Konkurrenz zu bestehen. Sollte ich erwähnen, daß sie alle zum Realo-Lager gehören? Eigentlich überflüssig.

Nordrhein-Westfalen: Die SPD ist keineswegs zum Untergang geweiht, denn in diesem größten Bundesland könnte sie mit einiger Sicherheit 23 Direktmandate erreichen. Ergebnis: 30 CDU, 9 FDP, 23 SPD und 2 Grüne.

CDU/CSU hätten die Mehrheit mit 181 von 299 Sitzen. 139 der CDU und 42 der CSU. Aber es wäre doch eine Mehrheit in der die CSU ein erheblich größeres Gewicht hätte, Denn damit gehörten 23% und nicht nur 18% der CDU/CSU-Fraktion der CSU an. Die gewählten Parlamentarier der CDU müßten sich zudem deutlich machen, daß sie nicht selten nur mit Hilfe von AfD und FDP in das Parlament gelangt waren.

Die FDP wäre mit 26 Mandaten keineswegs schwach, die SPD wäre mit nur 50 Mandaten stark geschrumpft, aber dominiert von den Realpolitikern aus NRW, die da weniger die Oberlehrer als die Malocher repräsentieren. Die Grünen hätten mit 9 Direktmandanten neunmal mehr als bisher, und die Linke könnte mit 5 Mandaten sich darüber Gedanken machen, ob nicht doch der Kurs des absoluten Wahlsiegers Gysi der richtigere sein könnte. Die AfD könnte mit 27 Mandaten auf die Liberalen hinabblicken, wenn auch nur knapp, und auch in dieser Fraktion dominierten nicht die Rabauken, sondern die, die sich in der Öffentlichkeit und vor ihren eigenen Wählern Respekt verschaffen konnten.

Das Parlament wäre deutlich kleiner und sehr, sehr viel feiner. Man könnte sich auf brillante Debatten freuen und auf spannende Abstimmungen. Das unsägliche Partitokratenmillieu der untergehakten Unterdurchschnittlichen wäre Geschichte, die zweitklassigen Listenmandatare völlig ausgerottet.
Fraktionszwang und Kopfnickermentalität gehörten einer dunklen, dunklen Geschichte an.

Wir hätten endlich wieder ein Parlament.

Ach ja: Artikel 38 Absatz I, Satz zwei lautet: "Sie (die Abgeordneten) sind Vertreter des ganzen Volkes (und nicht ihrer Partei) an Aufträge und Weisungen (des Parteivorstands, der Fraktion, der Regierung) nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Als Student der Rechtswissenschaften mußte ich auf Anregung meines linksliberalen Professors, der uns öffentliches Recht lehrte, diesen Satz "problematisieren".

Mittwoch, 20. Dezember 2017

Donnerstag, 29. Juni 2017

Die Wiedergeburt der "Zentrums-Partei"?

Zentrum, Reichatagswahl 1920

Das End ist nicht mehr nah, sondern da. Die CDU selbst, die sich noch in § 1 ihres Parteistatuts auf das "christliche Sittengesetz" beruft, hat mit der Aufgabe des Widerstands gegen die Homo-Ehe - euphemistisch oder entlarvend: Ehe für alle - ebendieses christliche Sittengesetz abgeräumt.

Gibt es einen Artikel des christlichen Sittengesetzes, der prominenter ist, als der Schutz der christlichen Ehe, der unauflöslichen, monogamen Ehe eines Mannes und einer Frau, die offen ist für die Zeugung und Erziehung eigener - nicht fremder - Kinder?

Im Soester Programm des Zentrums 1970 , das die CDU ja als Vorläuferpartei ansieht, heißt es schon in Artikel III:  
Abweisung jeden Versuchs zur Entchristlichung der Ehe. 
Die Autoren des Programms wußten sehr wohl, warum ihnen dieser Programmpunkt so wichtig war. Seit der französischen Revolution, seit der zeitweisen Einführung des Code Napoleon in Deutschland gab es den Versuch, die Ehe zu entchristlichen, die Eheschließung von einem kirchlichen Akt zu einem zivilrechtlichen zu machen. Jahrhunderte war die Eheschließung ein kirchlicher Akt, der nur in den Registern der Kirchen, der protestantischen wie der katholischen, dokumentiert war. Die französische Revolution führte das Standesamt ein, erklärtermaßen als Instrument zur "Déchristianisation" der Gesellschaft.

In Deutschland scheiterte dies nach der Vertreibung der napoleonischen Imperialsten zunächst, aber es war ja gerade das Eherecht, an dem sich schon Anfang des 19. Jahrhunderts der Kulturkampf gegen die katholische Kirche entzündete. 

Preußen gelang es unter Friedrich Wilhelm den IV zunächst, den Konflikt zu befrieden. Auch die Einführung der Civilehe unterblieb - zunächst. Die preußische Verfassung von 1850 - im Gegensatz zur Verfassung der 48er - sah die Einführung der Civilehe zwar vor, beließ es aber für Jahrzehnte bei den überkommenen Kirchenregistern.

Erst 1874, gewissermaßen als Gipfelpunkt des neu aufgeflammten Kulturkampfes nicht nur gegen die katholische, sondern auch gegen die conservativen Fraktionen der evangelischen Kirchen, führte Preußen die Civilehe ein. Der Widerstand, an dessen Spitze im übrigen ein Protestant, der Nestor der konservativen Partei Preußens, Ludwig von Gerlach stand, war erfolglos. Die Kulturkämpfer führten nicht nur das Civilstandsregister ein, sondern auch noch das Verbot der Voraustrauung. Der kirchliche Akt war damit seines Sinnes beraubt.

Und ab nun war auch eine zivilrechtliche Ehescheidung möglich. Kann man sich heute noch vorstellen, daß ein katholischer Papst gegen die Zivilehe und die Ehescheidung den Bannfluch ausspricht? Pius der IXte hat dies in seinem "Syllabus errorum" getan.

Den weiteren Niedergang haben die Älteren unter uns mitverfolgt. Weltweit fiel in den 70iger Jahren das bis dahin geltende Verschuldensprinzip bei der Ehescheidung. In Deutschland fiel es unter der sozialliberalen Regierung im Jahre 1977. 

Doch der nächste Anschlag auf die Ehe kündigte sich schon an. Nach der Aufhebung der Strafbarkeit des männlichen homosexuellen Aktes (nicht der Homosexualität, wie interessierte Schreiber immer behaupten) verlangte die Homo-Lobby nun, auch andere "Diskriminierungen", wie die Unmöglichkeit der Eheschließung für homosexuelle Paare aufzuheben. 

Noch zeigte sich die Öffentlichkeit eher verwundert, denn das hatte man bisher nicht als Ungleichbehandlung verstanden. Selbst das Bundesverfassungsgericht leistete 2002 noch teilweise - in der Person unter anderem des hoch renommierten Verfassungsrichters Papier - Widerstand gegen die Einführung einer der Ehe ähnlichen und schließlich auch nahezu gleichgestalteten "Lebenspartnerschaft" für Homosexuelle. Das Bundesverfassungsgericht aber winkte das Gesetz durch. Papiers "Abweichende Meinung" zeichnete schon vor, was dann folgen würde. Die Relativierung des Begriffs der Ehe würde den Weg zur völligen Relativierung des Artikels 6 GG führen.

Kann man sich heute noch vorstellen, daß die Landesregierungen von Thüringen, Sachsen und Bayern gegen ein solches Gesetz klagten? Hätte man sich vorstellen können, daß ausgerechnet eine Bundeskanzlerin der CDU den Weg für die völlige Gleichstellung von homosexuellem Konkubinat und Ehe freimachen würde?

Nun ist es Realität geworden. Übrigens sekundiert durch die Evangelische Kirche und abgelehnt nur noch von kleinen evangelischen Sekten und zumindest noch bislang dem Episkopat der katholischen Kirche in Deutschland.

Erneut in der Geschichte Deutschlands stehen die Katholiken in einer für sie elementaren Frage, nämlich der des Eherechts, alleine da. Was also spricht dagegen, das Zentrum, das ja als Partei noch existiert, als Verteidigungsbündnis der Katholiken wieder zu beleben? Wer schützt die christliche Familie ?