Montag, 21. Mai 2012

K-Day: Die Sakralisierung der Novität

Einen neuen Aufbruch wagen: ist das nur ein alberner Pleonasmus? Oder geht es nicht darum, indem man das "Neue" gleich zweimal betont - ein Aufbruch ist immer "neu", also reden wir hier von einer neuen Neuheit - die Bedeutung der Neuheit durch Doppelung - Pleonasmus - zu betonen?

Wenn es so sein sollte, dann war der Katholikentag, der sich ja angestrengt darum bemühte, seinem Motto auch gerecht zu werden, in Wirklichkeit eine pseudosakrale Veranstaltung. Sakral insoweit, als er die säkulare Heiligsprechung des Zeitgeistigen schlechthin zum Motto erhob.

Wir haben es also mit etwas zu tun, das Carl Schmitt, der katholische Bösewicht, in seinem Nachwort zu "Politische Theologie II" wie folgt beschreibt:
Für eine scientistisch-exakt-wissenschaftliche Erkenntnis gibt es keine Theologie als diskutable Wissenschaft mit spezifisch eigenen, wissenschaftlichen Kategorien; es gibt auch keine wissenschaftliche Neue Politische Theologie im Sinne von Umbesetzungen früherer theologischer Positionen, keine demokratische (statt früherer monotheistischer) und keine revolutionäre (statt früherer gegenrevolutionärer) Politische Theologie; alle enttheologisierten Begriffe schleppen das Erbe ihrer wissenschaftlichen-unreinen Herkunft mit sich; es ist nicht mehr möglich, eine Politische Theologie sozusagen ab ovo neu zu konstruieren; es gibt überhaupt kein ovum in einem alten oder erneuerbaren Sinne mehr, es gibt nur noch ein novum; Alle Enttheologisierungen, Entpolitisierungen, Entjuridifizierungen, Entideologisierungen, Enthistorisierungen und weitere Serien von Ent-Entungen in Richtung auf eine tabula rasa entfallen; es ent-tabularisiert sich die tabula rasa selbst, die mitsamt der tabula entfällt; die neue, rein weltlich-menschliche Wissenschaft ist ein unaufhörlicher Prozeß-Progreß einer durch unaufhörliche menschliche Neugierde weitergetriebenen, nicht-als-weltlich-menschlichen Erkenntnis-Erweiterung und Erkenntnis-Erneuerung
...
Der Prozeß-Progreß produziert nicht nur sich selbst und den Neuen Menschen, sondern auch die Bedingungen der Möglichkeit seiner eigenen Neuheits-Erneuerungen; das bedeutet das Gegenteil einer Schöpfung aus dem Nicht, nämlich die Schöpfung des Nichts als der Bedingung der Möglichkeit der Selbst-Schöpfung einer stets Neuen Weltlichkeit.
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stat pro ratione Libertas, et Novitas pro Libertate
An die Stelle der Vernunft tritt die Freiheit, an die Stelle der Freiheit die Neuheit.

Carl Schmitt schreibt in seinem Nachwort eine Anmerkung zu Blumenbergs "Legitimität der Neuzeit". Die Schwarte gehörte in meiner Studienzeit - den sechziger Jahren - zum absoluten must des aufstrebenden fortschrittlichen Studenten der Geisteswissenschaften. Der Schinken offenbart Belesenheit, mehr aber auch nicht. Bedauerlicherweise blieb mir, wie meinen Mitkämpfern, verborgen, daß der Bösewicht schon über das Buch abgelästert hatte. Ich hätte es wahrscheinlich trotzdem gelesen.

Wie man sieht ist der Pleonasmus der neuen Neuheit keineswegs neu. Er gehört vielmehr zur Kultur der Denkschulen der sechziger Jahre.

Ist es nicht apart, daß auf das "Memorandum Freiheit"der Katholikentag der neuen Neuheit folgt? Stat pro ratione libertas, et Novitas pro Libertate.

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